Garantierte Spielzeit statt Leistungsdruck
Geht es im Fußball um den Nachwuchs, fällt schnell der Begriff des demografischen Wandels. Die einzelnen Jahrgänge bringen weniger Kinder und Jugendliche hervor, was normalerweise in der Gründung von Spielgemeinschaften mündet. Bei der DJK Tiergarten-Haslach lief dies jahrelang nicht anders. Mit der Zeit erkannten die Verantwortlichen jedoch, dass der Pragmatismus auch Schattenseiten mit sich bringt.
„Wenn die Spielerzahlen im Nachwuchs knapp werden, wird immer relativ schnell eine SG gebildet. Wir haben aber entdeckt, dass dann von 50 Spielern in der DJugend meistens nur noch 15 in der A-Jugend übrig bleiben und wir so bis zu 70 Prozent der Spieler verlieren“, schildert DJK-Spielausschuss und A-Jugendtrainer Philipp Ell seine Erfahrungen, dass das größte Problem weniger in der Nachwuchsgewinnung als in deren Bindung im Teenageralter liegt.
Jugendtrainer Martin Panter sah das genauso und initiierte vor sechs Jahren ein Umdenken in der Philosophie des Vereins, mit dem er bei den beiden Jugendleitern Johannes Danner und Ulrich Huber auf offene Ohren stieß. Fortan lag der Fokus nicht mehr auf den Ergebnissen, sondern auf der gezielten Förderung schwächerer Spieler.
„Wir wollen jedem Kind die Chance geben, seinem Hobby nachzugehen“, nennt Ulrich Huber eins der Motive für die Herangehensweise, wodurch der auch schon im Jugendbereich oftmals praktizierte Ergebnisdruck wegfällt und alle Spieler garantierte Spielzeit erhalten. Dass diese Strategie Früchte trägt, berichtet Huber, wenn er sagt: „Wir haben festgestellt, dass Spieler wieder zurückkehren oder ihre Freunde mitbringen. Ich habe diese Saison in der D-Jugend mit neun Spielern angefangen, mittlerweile sind wir 14.“ Da sich diese Entwicklung auch in den anderen Jugendmannschaften bemerkbar macht, kommt die DJK seit dieser Saison von den Bambini bis zur A-Jugend erstmals wieder komplett ohne Spielgemeinschaft aus – beachtlich für zwei Dörfer mit zusammen nur rund 1800 Einwohnern. Das gelingt dem Verein, indem er Zeit und Mühe in die Werbung investiert und jungen Trainern die Chance gibt, erste Erfahrungen zu sammeln. So legten die Verantwortlichen Flyer in Kindergärten aus, machten auf dem Oberkircher Kindertag auf das Konzept aufmerksam oder veranstalteten Elternabende, um zu informieren sowie Missverständnissen vorzubeugen. Die gab es nämlich durchaus, wie Ell berichtet. „Am Anfang sind wir von anderen Vereinen etwas verspottet und als ‚Waldorf-Konzept‘ bezeichnet worden. Es wurde so getan, als hätten wir gar keinen Leistungsgedanken mehr, und dass wir die Einsatzzeiten nur noch mit der Stoppuhr genau abzählen würden. Das sind aber Falschmeldungen. Bei uns im Training fordern und entwickeln wir die Spieler trotzdem. Auch wir machen Ausdauertraining und taktische Schulungen, aber wir holen die Spieler auf dem Level ab, auf dem sie gerade sind.“
Denn wie die Verantwortlichen betonen, stellen sich Leistungssprünge oftmals erst später ein, weshalb eine zu frühe Separation nach Qualität kontraproduktiv sei. „Es zieht sich durch alle Jugendmannschaften, dass sich Spieler unglaublich entwickeln, wenn sie genügend Spielpraxis kriegen“, begründet Huber, warum der Verein den Aufwand betreibt. Hinzu kommt, dass bei dem Konzept jeder Spieler wichtig ist und sich nicht in der großen Masse einer SG verstecken kann. „Ohne den Einzelnen ist die Mannschaft einfach nicht komplett. Die Spieler merken bei uns noch viel stärker, dass sie gebraucht werden“, verweist Huber auf den Aspekt, dass der Zusammenhalt innerhalb des Vereins durch den Ansatz zunimmt.
Ohnehin geht es der DJK im Kern darum, die Vereinskultur zu erhalten und den Fußballstandort Tiergarten-Haslach zu sichern – ohne irgendwann auch im Seniorenbereich auf eine SG oder Fusion als Ultima Ratio ausweichen zu müssen. Daher schickt Ell auch noch einen abschließenden Appell an andere Vereine und macht ihnen Mut, ähnliche Wege zu gehen. „Es lohnt sich, um die Kinder zu kämpfen, weil das sehr strukturerhaltend wirken kann. Wir würden uns freuen, wenn wir da eine Bewegung in Gang setzen könnten und andere Vereine nachziehen würden.“ rro